Dr. Christian Noah
Häufige Fragen zu HIV und Aids
Unbehandelt ist eine HIV-Infektion lebensbedrohlich. Sie führt zu einer fortschreitenden Schwächung des Immunsystems und macht infizierte Patienten angreifbar für sonst harmlose Erreger. Durch eine rechtzeitige Diagnose und Therapie ist eine HIV-Infektion beherrschbar. Die HIV-Therapie ist heutzutage so erfolgreich, dass HIV-Patienten bei guter Lebensqualität eine vergleichbare Lebenserwartung haben wie nicht infizierte Menschen. In diesem Artikel finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zu HIV und AIDS.
Was ist HIV?
Das humane Immundefizienz-Virus (HIV) ist ein Krankheitserreger, der zu einer dauerhaften und fortschreitenden Schwächung des Immunsystems führt, wenn keine Therapie durchgeführt wird. Das Virus infiziert Abwehrzellen des Immunsystems, insbesondere die sogenannten T-Helferzellen, die als Folge in ihrer Zahl abnehmen. Es gibt 2 HIV-Typen: HIV-1 ist zahlenmäßig das dominierende Virus und weltweit verbreitet. HIV-2 kommt insbesondere in Westafrika vor, in Deutschland ist das Virus eine Rarität. Im Vergleich zu HIV-1 ist HIV-2 weniger infektiös und mit einem milderen Krankheitsverlauf assoziiert.
Was ist der Unterschied zwischen einer HIV-Infektion und AIDS?
AIDS, das erworbene Immunschwäche-Syndrom, kann die Folge einer unbehandelten HIV-Infektion sein. Dieses Syndrom tritt in der Regel erst viele Jahre nach der eigentlichen HIV-Infektion auf. AIDS fasst verschiedene durch sonst harmlose Erreger verursachte Infektionskrankheiten sowie Tumorerkrankungen zusammen, die infolge des geschwächten Immunsystems begünstigt werden. Der HIV-Test ist somit kein AIDS-Test, da er nur die HIV-Infektion nachweist, nicht aber das Stadium der Infektion definieren kann.
Woher kommt HIV?
Das Virus wurde 1983 als Erreger eines neuen Krankheitsbildes identifiziert, das heutzutage als AIDS bekannt ist. Die älteste dokumentierte HIV-Infektion stammt aus dem Jahr 1959. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass das Virus bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Schimpansen (HIV Typ 1) bzw. Rußmangaben (HIV Typ 2) auf den Menschen übergetreten ist.
Wie wird HIV übertragen?
Mit über 90 Prozent der Fälle ist ungeschützter Sexualverkehr mit einer HIV-positiven Person ohne oder mit unzureichender Therapie der häufigste Übertragungsweg einer HIV-Infektion. Erfolgreich therapierte Patienten gelten als nicht infektiös. Gleichzeitige Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erregern erhöhen das Übertragungsrisiko für HIV.
Eine weitere Infektionsquelle ist infiziertes Blut: Etwa 10 Prozent der Neuinfektionen gehen auf gemeinsamen Spritzengebrauch bei intravenösem Drogenkonsum zurück. Eine Übertragung durch eine Bluttransfusion ist in Deutschland durch die Testung von Blut und Blutprodukten auf HIV und andere Infektionserreger dagegen praktisch ausgeschlossen.
Bei infizierten Schwangeren besteht ein hohes Risiko, die HIV-Infektion auf das Kind zu übertragen. Durch eine rechtzeitige Diagnose und geeignete prophylaktische Maßnahmen gelingt es jedoch, die Übertragungswahrscheinlichkeit von etwa 40 auf 1 Prozent zu senken. Ein HIV-Test ist daher fester Bestandteil der Mutterschaftsvorsorge. Sehr selten resultiert eine HIV-Infektion aus dem Kontakt offener Wunden oder von Schleimhäuten mit infiziertem Blut; bei der Benetzung von intakter Haut besteht dagegen kein Übertragungsrisiko.
Von anderen Körperflüssigkeiten als Blut und Genitalsekreten (z.B. Urin, Speichel, Tränenflüssigkeit) geht kein Infektionsrisiko aus. Normale Alltagskontakte führen ebenfalls nicht zu einer HIV-Übertragung. Dazu gehört eine Berührung genauso wie die gemeinsame Nutzung einer Toilette oder von Geschirr.
Wie kann HIV getestet werden?
HIV-Test der 4. Generation
Ein HIV-Test der 4. Generation ist der Standard in der HIV-Diagnostik. Dieser wird nach venöser Blutabnahme im Labor durchgeführt. Es handelt sich um einen kombinierten Test, bei dem neben Antikörpern, die vom Immunsystem als Reaktion auf die Infektion gebildet werden, auch ein Virusbestandteil, das p24-Antigen, im Blut nachgewiesen wird. Gegenüber Tests früherer Generationen ohne p24-Antigen-Nachweis lässt sich eine Infektion früher nachweisen bzw. ausschließen. Bereits 6 Wochen nach möglicher Übertragung lässt sich in fast allen Fällen eine HIV-Infektion mit hoher Sicherheit ausschließen. Nicht jedes reaktive Ergebnis spricht automatisch für eine HIV-Infektion. Da unspezifische Reaktionen möglich sind, ist in solchen Fällen immer ein Bestätigungstest nötig: Eine HIV-Infektion ist erst dann bewiesen, wenn in einem alternativen Testverfahren ebenfalls eine positive Reaktion auftritt.
HIV–PCR
Ein Verfahren, das sich besonders für den frühen Nachweis einer Infektion eignet, ist die HIV-PCR. Mit Hilfe dieses Verfahrens lässt sich die Erbsubstanz der Viren (HIV-RNA) nachweisen. HIV-RNA findet sich im Blut vor dem p24-Antigen und den Antikörpern. Bereits 2 Wochen nach Risikokontakt lässt sich eine HIV-Infektion mit dieser Methode mit weitgehender Sicherheit ausschließen. Allerdings gibt es Einschränkungen: Während insbesondere mit Hilfe des Tests der 4. Generation sämtliche HIV-Varianten erfasst werden, weist die HIV-PCR eine Lücke bei einem in Deutschland sehr seltenen HIV-Typ auf (HIV-2). Darüber hinaus gibt es sehr wenige Patienten, die die Infektion auch ohne HIV-Therapie so gut kontrollieren können, dass keine Viren im Blut zu finden sind (sog. Elite-Controler) und eine HIV-PCR trotz bestehender Infektion negativ ausfallen würde. Aus diesen Gründen kann die HIV-PCR einen Standard-HIV-Test nicht ersetzen. Dieser wird, zusätzlich zur HIV-PCR, 6 Wochen nach der möglichen Infektion empfohlen.
Der HIV–Schnelltest
HIV-Schnelltests, zu denen auch die seit einiger Zeit in Apotheken und Drogerien verfügbaren Selbst-Tests gehören, haben zwar den Vorteil, dass sie nach Blutentnahme aus dem Finger oder Ohrläppchen ohne apparativen Aufwand durchgeführt werden können und das Testergebnis bereits innerhalb einer halben Stunde vorliegt. Die meisten Schnelltests beinhalten aber nicht den p24-Antigen-Nachweis, sondern weisen nur Antikörper nach. Eine HIV-Infektion lässt sich aus diesem Grund frühestens 3 Monate nach möglicher Übertragung mit hoher Sicherheit ausschließen. Zur Abklärung einer kürzlichen HIV-Übertragung sind Schnelltests somit nur bedingt geeignet. Darüber hinaus muss, wie bei Tests der 4. Generation, ein reaktives Ergebnis mit einem Bestätigungstest, der nicht im Umfang des Schnelltests enthalten ist, überprüft werden.
Ausführliche Informationen zur HIV-Testung erhalten Sie hier.
Welche Symptome treten bei einer HIV-Infektion auf?
Eine HIV-Infektion kann lange Zeit unbemerkt bleiben, fehlende Symptome beispielsweise nach einem Risikokontakt schließen eine HIV-Übertragung nicht aus. Bei einem Drittel der HIV-Infizierten wird die Infektion daher erst viele Jahre nach Übertragung festgestellt, wenn der durch HIV verursachte Immundefekt schon weit fortgeschritten ist. Folgende 4 Phasen werden unterschieden:
Frühinfektion
In der Frühphase einer Infektion, etwa 1 bis 6 Wochen nach Übertragung, können Symptome auftreten, die einem grippalen Infekt ähneln. Dazu gehören:
• Fieber
• Lymphknotenschwellungen
• Muskel- und Gelenkschmerzen
• Masern-ähnlicher Hautausschlag im Gesicht, am Hals und am Rumpf.
Die Symptome sind in der Regel auf einen Zeitraum von 1-2 Wochen begrenzt. Die Symptomatik ist häufig so schwach ausgeprägt, das ihr entweder keine Bedeutung beigemessen oder sie beispielsweise als leichte Erkältung fehlinterpretiert wird.
Asymptomatische HIV-Infektion
Der akuten Infektion schließt sich ein symptomfreies oder symptomarmes Stadium an, das Monate bis Jahre andauern kann. Wenngleich sich Patienten gesund fühlen, schreitet in dieser Phase die Schwächung des Immunsystems voran. Gelegentlich treten folgende unspezifische Symptome auf:
• Lymphknotenschwellungen
• Müdigkeitsgefühl
Symptomatische HIV-Infektion
Die HIV-Infektion wird zunehmend symptomatisch. Verschiedene Beschwerden sind möglich:
• Krankheitsgefühl
• Fieber
• Nachtschweiß
• Lymphknotenschwellungen
• Durchfälle
• Pilzbefall von Mund und Rachen
• Gürtelrose
• Schmerzen oder Sensibilitätsstörungen der Extremitäten
AIDS
Wird eine HIV-Infektion nicht erkannt und bleibt sie unbehandelt, führt sie in der Regel im Laufe mehrerer Jahre zur Immunschwäche-Krankheit AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome). Diese ist gekennzeichnet durch potentiell lebensbedrohliche Infektionskrankheiten (häufig ausgelöst durch sonst harmlose Erreger) und verschiedene Tumorerkrankungen. Beispiele sind:
• spezielle Lungenentzündungen
• Pilzinfektionen der Speiseröhre
• neurologische Ausfälle
• Entzündungen der Netzhaut
Wie viele HIV-Infizierte gibt es in Deutschland?
Mehr als 80.000 Menschen sind in Deutschland mit HIV infiziert. Etwa 80 Prozent der HIV-Patienten sind männlich, wobei Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben, den größten Anteil ausmachen. Während die Zahl der Neuinfektionen bei MSM in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat, ist die Übertragungsrate bei heterosexuellen Kontakten allerdings angestiegen.
Jedem 6. Patienten ist die eigene Infektion bisher nicht bekannt. Und bei einem Drittel der zuletzt etwa 3.000 Neudiagnosen pro Jahr lag bereits eine fortgeschrittene Schädigung des Immunsystems vor. Wenngleich alle HIV-Patienten von einer Therapie profitieren, verringert eine fehlende oder verspätete Diagnose die Chance auf einen nachhaltigen Therapieerfolg.
Wie wird eine HIV-Infektion behandelt?
Jede HIV-Infektion erfordert eine lebenslange Therapie. Die heutige HIV-Therapie ist hochwirksam, gut verträglich und einfach in der Einnahme. Im einfachsten Fall besteht diese aus der einmal täglichen Einnahme von einer Tablette, die mehrere Wirkstoffe enthält. Bei rechtzeitigem Therapiebeginn und regelmäßiger Einnahme ist eine HIV-Infektion gut beherrschbar. Der Therapieerfolg muss regelmäßig, in der Regel alle 3 Monate, durch Blutuntersuchungen überprüft werden.
Die HIV-Medikamente unterdrücken die Vermehrung der Viren. Gelingt dies nicht zuverlässig, beispielsweise durch unregelmäßige Einnahme der Medikamente, besteht das Risiko einer Resistenzentwicklung. Resistenz macht die Viren unempfindlich gegenüber den eingesetzten Medikamenten und kann sich auch auf andere Wirkstoffe auswirken. Folge: Die Auswahlmöglichkeiten im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden HIV-Medikamente werden reduziert. Im Fall von Resistenzen besteht das Risiko, dass eine Therapie mit einem höheren Nebenwirkungspotenzial und unkomfortableren Einnahmemodalitäten ausgewählt werden muss (höhere Anzahl von Tabletten, Einnahme mehrmals am Tag). Im schlimmsten Fall gelingt es nicht mehr, die Virusvermehrung zu unterdrücken.
Ist eine HIV-Infektion heilbar?
Eine Heilung ist bisher nur in Einzelfällen gelungen durch ein Verfahren, das aufgrund hoher Risiken und starker Nebenwirkungen nicht universell eingesetzt werden kann. Es handelte sich in diesen Fällen um Patienten, die neben einer HIV-Infektion auch eine Krebserkrankung hatten, die eine Transplantation von Knochenmark erforderlich machte. Für die Knochenmark-Spende wurde jeweils ein Mensch mit einer seltenen Mutation im Erbgut gefunden, die zu einer weitgehenden natürlichen Resistenz gegen HIV führt. Durch Transplantation dieses Knochenmarks konnte die HIV-Infektion beim Empfänger jeweils eliminiert werden.
Ein generell verfügbarer Heilungsansatz ist trotz umfangreicher Forschungsanstrengungen auch in den nächsten Jahren nicht in Sicht. Dank der Fortschritte in der HIV-Therapie ist die HIV-Infektion allerdings zu einer gut behandelbaren chronischen Infektionskrankheit geworden.
Wie hoch die Lebenserwartung mit HIV?
Eine rechtzeitige Diagnose ist eine wichtige Voraussetzung für den Therapieerfolg. Bei einem frühen Therapiebeginn lässt sich bei guter Lebensqualität eine vergleichbare Lebenserwartung erreichen wie bei nicht-infizierten Menschen.
Wann bricht AIDS aus?
AIDS lässt sich durch eine rechtzeitige Diagnose und Therapie verhindern. Unbehandelt vergehen zwischen HIV-Übertragung und Ausbruch von AIDS meist mehrere Jahre.
Wie kann ich mich vor HIV schützen?
Durch verschiedene Maßnahmen kann das Risiko einer sexuellen Übertragung von HIV reduziert werden:
Safer Sex
Bei Vaginal- und Analverkehr sollten Kondome, gegebenenfalls auch Femidome (Frauenkondome) verwendet werden. In Verbindung mit Kondomen sollten nur geeignete, fettfreie Gleitmittel verwendet werden. Das Infektionsrisiko durch Oralverkehr ist gering, dennoch sollte die Aufnahme von Sperma in den Mund vermieden werden. Grundsätzlich sollten Schleimhäute oder offene Wunden nicht mit Sperma oder Blut in Kontakt kommen.
HIV-Test und Absprachen
Lassen Sie und Ihr Partner/Ihre Partnerin sich auf HIV und ggf. andere sexuell übertragbare Infektionen testen. Ist eine Infektion unter Berücksichtigung des diagnostischen Fensters (6 Wochen beim HIV-Test der 4. Generation) ausgeschlossen, kann auf die Verwendung von Kondomen verzichtet werden. Bei sexuellen Kontakten außerhalb der Beziehung (Seitensprung oder offene Beziehung) sollten zum eigenen Schutz und zum Schutz des eigenen Partners allerdings Kondome benutzt werden.
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Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP)
Die PrEP ist eine wirkungsvolle Möglichkeit, sich durch die Einnahme eines HIV-Medikaments vor einer HIV-Ansteckung zu schützen. Sie ist vorgesehen insbesondere für Menschen mit hohem Übertragungsrisiko (z.B. regelmäßiger ungeschützter Sex, Partner von Menschen ohne stabile HIV-Therapie) und soll einmal täglich eingenommen werden. Individuell kann auch eine anlassbezogene PrEP erwogen werden.
Vor Beginn einer PrEP müssen eine HIV-Infektion und eine Hepatitis B ausgeschlossen bzw. ein ausreichender Impfschutz gegen Hepatitis B sichergestellt sein. Da bei der PrEP Nebenwirkungen auftreten können, die insbesondere die Nieren betreffen, darf darüber hinaus keine Funktionsstörung der Nieren vorliegen. Dies kann durch einen Bluttest überprüft werden (Kreatinin-Bestimmung).
Da die PrEP nur vor HIV schützt, sollten nach PrEP-Beginn nicht nur regelmäßig eine HIV-Testung, sondern auch Tests auf andere sexuell übertragbare Infektionen (Syphilis, Chlamydien-Infektion, Gonorrhoe, Hepatitis C) durchgeführt werden. Ferner sind Kontrolluntersuchungen der Nierenfunktion notwendig.
Was kann ich unmittelbar nach einem HIV-Risikokontakt tun?
Wenn Sie ungeschützten Geschlechtsverkehr hatten und eine HIV-Infektion bei Ihrem Sexualpartner oder Ihrer Sexualpartnerin nicht ausgeschlossen werden kann, sollten Sie keine Zeit verlieren und sich möglichst schnell an einen Arzt wenden. Wenn nach Risikoabschätzung eine HIV-Übertragung in Betracht kommt, besteht die Möglichkeit einer sogenannten Post-Expositionsprophylaxe (PEP). Dabei handelt es sich um eine zeitlich befristete (4 Wochen) HIV-Therapie, die das Infektionsrisiko deutlich reduziert. Die Post-Expositionsprophylaxe ist am wirkungsvollsten, wenn Sie innerhalb weniger Stunden nach Risikokontakt begonnen wird. Denken Sie nach einem Risikokontakt auch an andere sexuell übertragbare Infektionen wie die Syphilis, die Chlamydien-Infektion oder die Gonorrhoe (Tripper) und lassen Sie sich gegebenenfalls testen. Wenn Sie nicht geimpft sind, kann auch die Abklärung einer Hepatitis B sinnvoll sein.
Quellen:
www.hivbuch.de
www.rki.de
daignet.de/site-content/hiv-therapie
www.aidshilfe.de