zurück zur Übersicht

 Anja Proft

Wie sinnvoll sind medizinische Selbsttests für zu Hause?

Das Gesundheitsbewusstsein der Deutschen ist gestiegen: Gesunde Ernährung und Bewegung sind wichtiger denn je. Außerdem liegt das sog. „Health Tracking“ im Trend. Die eigene Gesundheit und Fitness werden vermessen und stetig optimiert. Immer mehr Menschen möchten ihre Gesundheit selbst in die Hand nehmen und greifen dabei nicht nur verstärkt auf „Dr. Google“ zurück. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Nachfrage zur eigenen Analyse der inneren Werte, wie z. B. Blut- und Urinwerten, steigt und diese über verschiedene Hersteller von Schnell- bzw. Selbsttests für zu Hause bedient wird.

Wie funktionieren Selbsttests aus der Apotheke oder dem Internet?

Selbsttests sind in der Kontrolle des Diabetes mellitus („Zuckerkrankheit“) nicht wegzudenken und absolut empfehlenswert bzw. notwendig. Auch in der Kontrolle z. B. der MarcumarR-Therapie („künstliche Blutverdünnung“ zur Prophylaxe z. B. von Embolien) werden zuverlässige Tests für zu Hause und unterwegs angeboten. Im Internet oder der Apotheke findet man inzwischen zahlreiche weitere Tests zu ganz verschiedenen Anwendungsgebieten aus den Bereichen Gesundheit, Fitness und Schönheit. Über einen Bluttest, dessen Probe in Eigenregie zu Hause aus der Fingerkuppe genommen wird, kann demnach auf einen Vitamin-Mangel geschlossen werden oder das Blut auf die Unverträglichkeit einer langen Liste an Lebensmitteln untersucht werden. Beim Vorliegen bestimmter Beschwerden (z. B. Müdigkeit) wird der passende Test mit seinen Analysen angeboten.

Bei einigen Anbietern folgt ein ausführlicher Ergebnisbericht mit Handlungsempfehlungen. Der Gang zum Arzt scheint also überflüssig. Beim genaueren Betrachten der angebotenen Tests fällt jedoch auf, dass nicht nur medizinisch sinnvolle Analysen angeboten werden. Gerade für einen Laien ist die Auswahl eines geeigneten Tests daher erschwert. Und generell gilt: Die Heimtests sind den Labortests in der Zuverlässigkeit häufig unterlegen. Das hat mehrere, auch technische Gründe, fängt aber schon bei der korrekten Anwendung des Tests z. B. bei der Blutentnahme zu Hause an. Das Ergebnis kann schnell verfälscht werden. Auch die Interpretation der Ergebnisse ist häufig schwierig, sodass ein Großteil der Bevölkerung besser beraten ist, sich bei bestimmten Fragestellungen zu bestimmten Blutparametern an einen Arzt bzw. ein medizinisches Labor zu wenden.

TESTBILD hat 10 medizinische Selbsttests auf Ihre Zuverlässigkeit getestet. 

Welche Selbsttests gibt es?

Verschiedene Hersteller bieten Selbsttests zur Kontrolle bestimmter Werte bzw. zur Gesundheitsvorsorge an. Der Analyse dienen neben den Körperflüssigkeiten Blut, Urin, Speichel und Stuhl auch die Atemluft. So werden z. B. Vitamine, Mineralstoffe und Hormone überwiegend an Blut untersucht. Aber auch Allergien und Unverträglichkeiten sowie Geschlechtskrankheiten sollen aufgedeckt und einige Vorsorgemaßnahmen durchgeführt werden. Diese Tests werden entweder einzeln angeboten oder aber als Pakete, bei denen bestimmte Analysen zu einem Thema (z. B. Fitness) oder einer Beschwerde (z. B. Müdigkeit) zusammengestellt werden.

Selbsttest über Blutanalyse

Fingerpicks für Heimtest

Schnell- bzw. Selbsttests, die auf Grundlage einer Blutanalyse basieren, werden in Form von vorgefertigten Testpaketen über das Internet vertrieben. Mit Hilfe einer Lanzette muss sich die Testperson in einem festgelegten Winkel in die Fingerkuppe stechen und anschließend eine definierte Menge Blut entnehmen. Das Ergebnis kann entweder direkt, z. B. über einen Farbwechsel, abgelesen werden, oder wird der Testperson nach Analyse im Labor zugeschickt. Das Testergebnis kann jedoch leicht durch kleine Anwendungsfehler (z.B. zu starkes Drücken des Fingers bei der Probengewinnung) verfälscht werden. 

Selbsttest über Urinanalyse

Mit dem Urin werden verschiedene Substanzen wie z. B. Hormone oder Bakterien ausgeschieden bzw. abgegeben. Eine Urinprobe kann so für die Analyse verschiedener Hormone in den Wechseljahren geeignet sein. Auch eine mögliche Infektion mit verschiedenen sexuell übertragbaren Erkrankungen soll über einen Schnelltest nachgewiesen bzw. ausgeschlossen werden. Diese Tests sind den Labortests in ihrer Zuverlässigkeit allerdings unterlegen. 

STD-Heimtests

Per Urinprobe sollen die häufigen bakteriellen Erreger sexuell übertragbarer Erkrankungen wie Chlamydien und Gonokokken nachgewiesen werden. Grundlage für viele Schnelltests bildet das Antigen-Antikörper-Verfahren (nach dem Prinzip des ELISA (Enzyme-Linked Immunosorbent Assay: immunologisches Verfahren zum Nachweis bestimmter Moleküle in Körperflüssigkeiten). Nach dem Auftragen der Urinprobe auf eine Test-Kassette bildet sich bei Vorhandensein von Antigen (also z.B. Chlamydien) eine Reaktion mit Antikörpern aus, was sich an einer farbigen Linie (ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest) erkennen lässt. Dieses ist dann der Hinweis auf eine Infektion.
Das Robert-Koch-Institut rät vom Einsatz solcher Schnelltests für Chlamydien, Gonokokken und Syphilis allerdings eindeutig ab, da diese in ihrer Zuverlässigkeit den im Labor durchgeführten Tests klar unterlegen sind.
In unserem Artikel "Geschlechtskrankheit? Diese Tests sind sinnvoll" erfahren Sie, auf welche sexuell übertragbaren Krankheiten Sie sich testen lassen sollten.

Auch interessant zu lesen: Chlamydien? Die unterschätzte Geschlechtskrankheit 

STD-Tests

HIV-Heimtest

In Deutschland dürfen HIV-Heimtests laut Medizinproduktegesetz bisher nicht an Privatpersonen abgegeben werden. Allerdings werden HIV-Schnelltests, die auf spezifische Antikörper gegen HIV reagieren, zur Eigenanwendung immer häufiger im Internet über Anbieter aus dem Ausland vertrieben. Diese Tests sind den Labortests in der Zuverlässigkeit unterlegen. Außerdem können unbewusste, kleine Anwendungsfehler durch den Laien falsche Ergebnisse bedeuten. So kann ein falsch negatives Ergebnis dazu führen, dass sich die Person in Sicherheit wiegt und das Risiko einer unbewussten Übertragung des Virus besteht. Ein positives Ergebnis bedarf in jedem Fall eines Bestätigungstests durch einen Arzt oder ein Labor.

HIV-Test

Vitamin- und Mineralstoffmangel

Besonders häufig werden Selbsttests für die Analyse des Blutspiegels von Vitamin D und Vitamin B12 beworben. Außerdem werden Bluttests für die Bestimmung des Eisenwertes angeboten. Was aber wichtig ist und bei solchen Tests fehlt: Nicht der Eisenwert, sondern der Spiegel des Eisenspeicher-Proteins Ferritin ist entscheidend – und nicht zuletzt das Blutbild (Größe und Hämoglobingehalt der roten Blutkörperchen, Erythrozyten). Hinzu kommt noch die Gefahr, dass eine akute Entzündung im Körper den Eisen- bzw. Ferritinwert verfälschen kann.

Nährstoffmangel-Test

Allergietest für zu Hause

Bei einer Allergie werden spezifische IgE-Antikörper gegen ein bestimmtes Protein (Allergen) gebildet und so eine allergische Reaktion ausgelöst. Im Blut können diese Antikörper gemessen werden. Allerdings werden im Internet auch sog. Reaktionstests auf verschiedene Lebensmittel angeboten. Gemessen werden dann IgG4-Antikörper gegen diese Lebensmittel. Eine Erhöhung dieser Antikörper stellt jedoch keine echte Allergie dar. Der Körper bildet sie meist in Zusammenhang mit einer längeren Kontaktdauer mit dem Lebensmittel (z.B. Kontakt der Nahrungsmittelproteine mit dem Immunsystem im Dünndarm). Dies deutet vielmehr auf eine Immuntoleranz hin. Ein Verzicht dieses Lebensmittels ist daher aus medizinischer Sicht nicht nur unnötig, sondern kann die Person sogar in ihrer Lebensqualität einschränken und teilweise auch einen Nährstoffmangel verursachen.

Allergietest

Magen-Darm Tests

Ursache für Magen- und Darmbeschwerden kann eine Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori sein. Mittel der Wahl zum Nachweis stellt ein 13C-Urease-Atemtest dar, den wir bei uns im Medizinischen Labor am Stephansplatz an modernsten Geräten anbieten. Der Test funktioniert ohne Blutabnahme und dauert nur wenige Minuten. Im Internet werden jedoch vielfach Selbsttests angeboten, die entweder spezifische IgG-Antikörper (im Blut) gegen Helicobacter pylori oder Bestandteile des Bakteriums (Antigen im Stuhl) nachweisen. Antikörper bleiben jedoch auch nachweisbar, wenn die Infektion bereits überstanden bzw. erfolgreich behandelt worden ist. Ein Antikörper-Test ist daher für das Vorliegen einer aktuellen Infektion nicht aussagekräftig.

Stuhltests auf Blut werden zur Darmkrebsvorsorge angeboten. Besser als Schnelltests sind aber modernste Tests, die im Labor ausgewertet werden. Diese werden von den medizinischen Fachgesellschaften (z. B. Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, www.dgvs.de) empfohlen. Ein falsch negativer Selbsttest (der Test liefert ein negatives Ergebnis, obwohl die untersuchte Person in Wirklichkeit positiv ist) kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass ein Darmkrebs zu spät erkannt wird.

Darmkrebsvorsorge

Unverträglichkeitstest

Über einen Selbsttest aus dem Blut können Gluten-spezifische IgA-Antikörper nachgewiesen und damit eine Gluten-Unverträglichkeit (Zöliakie) festgestellt werden. Allerdings ist bei manchen Personen (ca. 7 bis 10% der Bevölkerung) die Produktion von IgA-Antikörpern sehr stark vermindert. Werden zur Kontrolle nicht die gesamt IgA-Antikörper gemessen, kann das Ergebnis falsch negativ sein.

Atemtests zur Diagnose einer Laktose- bzw. Fructose-Intoleranz werden ebenfalls als Heimtests angeboten. Vor Abgabe der Atemproben muss die Testperson eine definierte Menge an Laktose bzw. Fructose zu sich nehmen. Bei Vorliegen einer Intoleranz kann es während der Testphase zu erheblichen Beschwerden kommen, weshalb von einer Durchführung dieser Tests zu Hause abgeraten wird. In einer Praxis kann man direkt betreut werden und ist dort daher im Zweifelsfall besser aufgehoben. />

Wie zuverlässig sind medizinische Selbsttests für zu Hause?

Selbsttests für zu Hause sind den in einem medizinischen Facharztlabor durchgeführten Analysen in der Zuverlässigkeit bzw. Aussagekraft in den allermeisten Fällen eindeutig unterlegen.
Teilweise werden von den Herstellern Tests angeboten, die aus medizinischer Sicht nicht sinnvoll sind. Selbsttests mit Blut setzen die eigene Blutgewinnung aus der Fingerkuppe voraus, dieses kann erhebliche Überwindung kosten. Bereits bei der Probengewinnung kann es außerdem zu Anwendungsfehlern kommen. Besonders Bluttests sind anfällig. Wird der Finger z.B. zu stark gedrückt, so kann das zusätzliche Gewebewasser das Blut verdünnen und das Ergebnis verfälschen (falsch niedrige Werte). Und: Einige Analysen werden mit einer unzuverlässigen bzw. ungeeigneten Testmethode durchgeführt. Beim Ablesen der Ergebnisse (z. B. beim Erkennen einer bestimmten Farbe) kann es ebenfalls Schwierigkeiten geben. Die richtige Deutung der Ergebnisse ist trotz eines manchmal ausführlichen Ergebnisberichts der Hersteller für Laien häufig schwierig und kann verwirrend sein.
So liefert ein Selbsttest zu Hause maximal einen Anhaltspunkt, eine Diagnose sollte weiterhin von einem Arzt gestellt werden.

Fazit:

Der steigende Trend selbst etwas für seine eigene Gesundheit zu tun und diese zu optimieren, ist zwar generell positiv zu werten, birgt jedoch auch Gefahren. Bei im Internet angebotenen Tests ist generell eine gewisse Vorsicht geboten. Für den Laien ist die Auswahl des richtigen Tests nicht selten schwierig – und die Zuverlässigkeit nicht immer eindeutig. Ohne adäquate Beratung kann so leicht viel Geld für medizinisch nicht sinnvolle Tests ausgegeben werden. Hinzu kommt, dass die Selbsttests teilweise teurer als die im Facharztlabor durchgeführten Analysen sind. Kleine Anwendungsfehler können zu einem falschen Ergebnis führen und so die Person in falscher Sicherheit wiegen oder unnötig verunsichern. Sinnvoller ist es daher, sich bei Beschwerden oder bestimmten Fragestellungen an einen Arzt oder ein Labor zu wenden. Der Arzt kann nach einem Gespräch am besten einordnen, welche Analysen zielführend sind. In einem akkreditierten Labor werden die verschiedenen Parameter mit einem standardisierten, qualitätsgesicherten Verfahren erhoben. Der Patient bekommt ein verlässliches, verständliches Ergebnis und bei Bedarf weitere medizinische Handlungsempfehlungen.


 

Quellen:
www.aidshilfe.de/faq-hiv-heimtest#acc-316975
www.grossesblutbild.de/chlamydien-schnelltest.html
www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=30111
www.nahrungsmittel-intoleranz.com/allgemeines-2/news-rund-um-intoleranzen/1108-sinn-und-unsinn-von-igg-4-tests-fuer-nahrungsmittelunvertaeglichkeiten.html
www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/021-001l_S2k_Helicobacter-pylori-gastroduodenale_Ulkuskrankheit_2016-04_01.pdf
www.dzg-online.de/files/dzg_aktuell_02_2014_sk_2_leitlinie.pdf
www.aerzteblatt.de/archiv/121803/STD-Schnelltests-von-unterschiedlicher-Qualitaet
www.gastro-liga.de/fileadmin/download/Dickdarmkrebs-146-07-17.pdf

Unsere Tests
STI Test (z.B. Tripper-Test)
ab 23,46 €

Newsletter abonnieren

In unserem Newsletter informieren wir Sie einmal im Monat kostenlos über folgende Themen: Gesundheit und Vorsorge, Ernährung und Nährstoffe & Labormedizin und –diagnostik. Als Dankeschön für Ihre Anmeldung erhalten Sie eine Übersicht der empfohlenen Vorsorge-Untersuchungen.

Um den Newsletter zu abonnieren, geben Sie bitte Ihre E-Mailadresse ein.

* Pflichtfelder
Element 16